INTERVIEW MIT SEBASTIAN KRUMBIEGEL

Es gibt ja in Filmen oder Büchern oft das Szenario, dass der Protagonist seiner eigenen Beerdigung beiwohnt.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Ich mache Musik, seit ich denken kann, und bin ehrlich dankbar – meinem Schicksal oder wem auch immer –, dass ich genau das tun kann, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene. Ich habe meine Band, ich habe mein Klavier & ich habe meine Stimme – etwas pathetisch gesagt, brauche ich nicht viel mehr zum Leben.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Ehrlich gesagt – mit dem eigenen Tod gar nicht so viel. Es gibt ja in Filmen oder Büchern oft das Szenario, dass der Protagonist seiner eigenen Beerdigung beiwohnt. Das hab ich mir auch schon manchmal vorgestellt: Alle stehen da, gucken traurig, weinen Rotz und Wasser und sagen, was für ein toller Kerl ich war. Ja, das ist für mich eine recht heitere Variante, mich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen ...

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Darüber denke ich nicht so viel nach. Ich lebe im Hier und Jetzt. Ich weiß zwar, dass das irgendwann alles mal vorbei sein wird, genieße mein Leben aber viel zu sehr, um mir das durch mortale Gedanken schwarz zu färben.

sds19: Warum ist es deines Erachtens trotzdem notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Jeder MUSS das irgendwann tun, ob er will oder nicht. Und ich denke, es ist sicher gut, nicht erst anzufangen, sich damit zu beschäftigen, wenn der Sensenmann vor der Tür steht. Was allerdings nicht heißen soll, dass ich persönlich jeden Tag über den Tod nachdenke. Ich denke einfach, dass es, wenn es dann irgendwann so weit ist, möglichst schnell gehen sollte und dass es möglichst unvermittelt passieren sollte. Niemand hat Lust, lange vor sich hin zu siechen und hilflos, sabbernd rumzuliegen und damit seinem Umfeld zur Last zu fallen. Ich denke manchmal, dass es ganz cool wäre, auf der Bühne einfach umzufallen – obwohl das ganz schön egoistisch ist ... Derjenige, der abtritt, hat ja den ganzen Stress nicht – den haben die, die daneben stehen und damit klar kommen müssen – emotional, aber auch ganz praktisch ...

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Es ist eigentlich ganz einfach: darüber reden.
Ich habe gerade die Schirmherrschaft für das Leipziger Bündnis gegen Depression übernommen. Die haben mich gefragt, und zuerst dachte ich: Was hab ich denn damit zu tun? Wir alle sind immer wieder geschockt, wenn sich ein prominenter Künstler oder Sportler selbst ins Jenseits befördert hat. Kürzlich waren es Keith Flint von THE PRODIGY oder Chester Bennington von LINKIN PARK. Vor Jahren waren es Curt Cobain oder auch Robert Enke, der ehemalige Hannover 96 Torwart. Bei all diesen Fällen hat die Öffentlichkeit im Nachhinein darüber gesprochen, dass diese Menschen mit ihren Depressionen allein geblieben waren und dann irgendwann keinen anderen Ausweg wussten, als diesen Schritt zu tun. DEPRESSION ist immer noch ein Thema, über das nicht gern gesprochen wird, und doch ist es eine „ganz normale“ Krankheit, bei der den Betroffenen geholfen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass wir darüber reden, dass es kein Tabu-Thema mehr sein sollte. Es kann jeden treffen. Und wenn wir es schaffen, genau diesen Perspektiv-Wechsel hinzukriegen, wenn wir versuchen, uns in die Lage zu versetzen, dass es jeden selbst treffen könnte, dass wir irgendwann an dieser Stelle Hilfe bräuchten, dann wäre ein erster Schritt getan. 

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Es ist sicher wichtig, darüber zu reden – immer wieder, ohne Furcht vor Tabubrüchen. Sicher ist es manchmal aber auch ganz praktisch, Dinge zu verdrängen, unangenehme Gedanken und Gefühle wegzuschieben. Ich denke, dass das jeder für sich persönlich entscheiden muss. Niemand sollte dazu genötigt werden, irgendwas „aufzuarbeiten“ oder sich mit irgendwas zu konfrontieren – wer weiß, sicher gibt es viele Menschen, die besser damit klar kommen, solche Themen klassisch zu verdrängen – das ist legitim, wenn es hilft, besser mit sich und seinem sozialen Umfeld zurechtzukommen.  

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Nochmal: Ich denke, wir sollten darüber reden und diese Themen nicht tabuisieren. Es sind ja nicht gerade sexy Themen, aber wir sollten sie als normal ansehen. Leben und Sterben gehören zusammen, und die Angst vorm Tod ist sicher normal, wenngleich ich auch ehrlich sagen muss, dass ich diese Angst nicht wirklich habe. Aber ich merke gerade selbst, dass ich mir hier permanent selbst widerspreche – ja, schwieriges Thema ...

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Das tun sie doch automatisch. Es gibt so viele Bücher, Filme, so viel Musik, die sich diesen Themen widmet. Musik, bildende Kunst, Theater, Film, Bücher – all das funktioniert meist emotional, damit erreicht man oft viel mehr als mit Vorträgen oder Fachsymposien. Es geht ja nicht darum, jemanden belehren zu wollen, sondern es geht darum, jemanden zu erreichen oder zu sensibilisieren.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Ach, es gibt so viel wunderbare fürchterlich traurige Musik, die mir manchmal dabei hilft, mich heimlich in meinem Selbstmitleid zu suhlen. Oder auch im Kino – ich bin immer wieder begeistert, wenn ich in der Dunkelheit des Kinosaales sitze und plötzlich merke, dass ich emotional angefasst bin von dem, was ich da sehe und höre.
Der Roberto-Begnini-Film „Das Leben ist schön“ hat mich immer wieder extrem gekickt.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Auch wenn es abgedroschen klingt: Das sind essenzielle Dinge. Und gerade in letzter Zeit denke ich immer mal wieder, dass das alles nicht selbstverständlich zu sein scheint und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen, dass das nicht nur leere Worthülsen sind.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„I hurt myself today – to see if I still feel“ – ursprünglich von Trent Reznor (NINE INCH NAILS), großartiges Cover von Johnny Cash.

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben ...
… ich hoffe, das ist in einer ziemlich fernen Zukunft, und ich hoffe, dass ich dabei klar im Kopf und körperlich einigermaßen fit bin.

2. Unsterblichkeit wäre
… cool, wenn es um Musik oder allgemein Kunst geht, die die Generationen überdauert. Wir sind gerade wieder auf Prinzentour und erleben jeden Abend alle Generationen im Publikum. Wenn 5 oder 6jährige Kinder voller Inbrunst Lieder mitsingen, die 25 oder 30 Jahre alt sind, dann denke ich manchmal: Cool – wir scheinen wirklich ein paar unsterbliche Songs geschaffen zu haben.

3. Das Leben ist
…grausam – so hieß unser erstes Prinzen-Album 1991.

Ganz lieben Dank für die Beantwortung unserer Fragen