INTERVIEW MIT PIA ELFERT

Leben ist immer lebensgefährlich. (Erich Kästner)

Interview mit Pia Elfert

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Mein Beitrag besteht in der Vermittlung von zwei Formaten.
- Die Ausstellung „Erbschaftsangelegenheiten“, konzipiert von Silvia Häfele, zeigt an 64 Objekten, die von Menschen aus ganz Deutschland gestaltet wurden, wie sie das eigene Leben und Sterben im Zusammenhang mit den Menschen deuten, die zu ihrem Leben, ihrer Biographie gehören. (Was habe ich mit auf den Weg bekommen? Was gebe ich weiter? Was lasse ich zurück? Was will ich nicht (geerbt) haben? …)
- Im Ägyptischen Museum „Georg Steindorff“ wird es ein Kinderprogramm und Themenführungen für Erwachsene zum Themenkreis „Tod im Alten Ägypten“ geben.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Endlichkeitskultur bedeutet für mich, das Sterben wieder „gesellschaftsfähig“ zu machen und den Tod nicht als abstrakte Größe, sondern als „meinen“ Tod anzuschauen und im Idealfall zu gestalten.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Der Gedanke an die eigene Endlichkeit kann gelassener/großzügiger/verantwortungsvoller/lebensfroher machen.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Die Zeitschrift der Funusstiftung „Drunter & Drüber – Magazin für Endlichkeitskultur“ ist z. B. ein ideales Medium dafür.

sd19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Das individuelle Sterben, der reale Tod sind aus unserer Alltagswelt entfernt worden. Stattdessen nimmt der Konsum des virtuellen Sterbens, des Sterbens anderer in Nachrichten, Thrillern, Krimiserien, Realtiy-Crime-Formaten stetig zu. Wir genießen geradezu diese künstliche Angst. Statt „analog“ zu leben und auch mal über die eigene Endlichkeit zu reflektieren, lassen wir uns einseifen mit Kunstblut und leben lieber „als ob“ weiter. Und dann kommt die Angst …

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Niemand weiß, wie er in Grenzsituationen reagieren wird. Ich würde es damit versuchen: in Rufweite sein, zuhören, den Trauernden, Kranken Raum für selbstbestimmtes Handeln lassen und mich selber zurücknehmen.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Sie tragen schon immer zur Auseinandersetzung mit Tod und Sterben bei. Was es manchmal braucht sind Vermittler, Übersetzer ihrer Beiträge in das alltägliche Reden, Fühlen und Denken.
Ein Format wie „Stadt der Sterblichen“ kann hier als Medium funktionieren.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit (Film)
Schwarwel: Leipzig von oben – Vom Leben und Sterben in der Stadt (Film)
Ulf Nilsson, Anna-Clara Tidholm: Goodbye, Mr. Muffin (Kinderbuch)
Max Porter: Trauer ist das Ding mit Federn

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Unser Erbe sind die Erfahrungen und Erkenntnisse der Menschen vor uns. Die Zukunft hängt davon ab, wie lernfähig und lernwillig wir sind, oder ob wir die gleichen Fehler, wie es den Eindruck hat, immer wieder wiederholen werden.
Ich wünsche mir mehr Respekt vor Menschen, Tieren, der Schöpfung, mehr Großzügigkeit und Bescheidenheit, dafür weniger Größenwahn und Sucht nach Exklusivität und Perfektion: Nichts ist genug für den, für den genug zu wenig ist. Lukrez

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Alles! Aber ohne Wohlwollen können sich selbst diese Idealziele ins Gegenteil verkehren und uns unbarmherzig und doktrinär machen.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

Leben ist immer lebensgefährlich. (Erich Kästner)

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben – und das finde ich sehr beruhigend.

2. Unsterblichkeit – wäre ein Fluch für mich.

3. Das Leben ist – für mich lebenswert und unendlich viel mehr, als ein knackiger Slogan ausdrücken könnte.