INTERVIEW MIT PETRA HOHN

Für mich hat der Tod etwas Sanftes, schließlich ist er täglich durch meinen Sohn präsent. Wir sind alle endlich.

„Stadt der Sterblichen“ Sep 2019

Interview mit Petra Hohn

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Nach dem Tod unseres Sohnes 1998 schloss ich mich dem Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. (VEID e.V.) an. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass der Tod eines Kindes keinen Platz in unserer Gesellschaft hatte. Die Eltern und Familien standen vollkommen allein und verlassen vor den Scherben ihres Lebens. Das zu ändern und die Angebote zu verbessern, wurde meine Lebensaufgabe. Seit 2004 arbeitete ich im Vorstand des VEID e.V. mit und engagierte mich von 2006 bis 2017 als 1. Vorsitzende für die Hilfe von betroffenen Familien. In dieser Zeit konnte viel bewegt werden, durch ein großes Netzwerk wurde das Tabu gebrochen. Heute bin ich Geschäftsführerin in der Bundesgeschäftsstelle des VEID e.V., die ihren Sitz seit 2006 in Leipzig hat. Betroffene finden hier bundesweit Hilfe, auch die Leipziger Familien fanden in den Räumen ein zu Hause. Es ist mir ein großes Anliegen, dass jeder Betroffene Hilfe und Unterstützung erfährt, mit dem Tod eines Kindes leben zu lernen. Für mich eine erfüllende Aufgabe, die ich mit Herz und Verstand lebe.
 
sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen" im Sep 2019 in Leipzig mit?
 
Gemeinsam mit Hedwig Portner bereiten wir im Team den Kindertag vor. Dort werden wir den Museumskoffer „Vergißmeinnicht” vorstellen. Gleichzeitig versuche ich zu vernetzen und zu unterstützen.
 
sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Für mich hat der Tod etwas Sanftes, schließlich ist er täglich durch meinen Sohn präsent. Wir sind alle endlich … Tod und Trauer sind in meiner Arbeit Alltag. In Gesprächen, Publikationen und Vorträgen versuche ich Menschen das Thema näher zu bringen und zu helfen, dem Leben wieder ein Lächeln zu schenken.
 
sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Ja, Kultur ist das richtige Wort. Wie erinnern wir uns an die, welche uns vorausgegangen sind? Wie gehen wir damit um? Was sind wir für eine Kultur, wenn wir uns nicht mit dem Tod auseinandersetzen? Ohne Scheu, mit Offenheit und Toleranz. Eine Auseinandersetzung mit dem Ende ist für mich persönlich sehr wichtig.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Für mich Eigenverantwortung und Entlastung für die, die zurückbleiben. Ist doch gut, selbst zu entscheiden, wie das eigene Ende aussieht, wie ich mir das vorstelle. Das gehört für mich zu meiner Lebensphilosophie.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?
Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Weil es zum Leben gehört und noch keiner hier geblieben ist, alle müssen sterben …
Man sollte schon im Kindesalter damit beginnen, die Endlichkeit angstfrei zu vermitteln. Material gibt es mittlerweile genug, leider fehlt es an mutigen Menschen, die das lebendig vermitteln können. Ohne den miefigen Beigeschmack. Was ganz wichtig ist, man sollte es authentisch rüberbringen ohne pathetisches Gehabe.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?
Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

 
Es gibt viele Angebote, die auch keiner bewerten kann. Jedes Angebot findet seine Klientel, jeder ist mündig genug zu entscheiden, was ihm gut tut und was nicht. Ich halte den Einzug in die Schulen, z. B. im Fach Ethik, wichtig, über die Endlichkeit zu lehren. Jeder Arzt müsste wissen, wie er sensibel eine Todesnachricht überbringt. Eine teilweise Überarbeitung von veralteten Friedhofsordnungen und die Kleinstaaterei bei den Bestattungsgesetzen. Hier ist noch viel zu tun. Sicher ist Kunst ein großer Aspekt, die muss nicht immer hoch angebunden sein.
 
sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Auch hier gibt es viele Angebote, wir haben gemeinsam mit Luci unsere eigenen Lieder geschrieben. „Mein Kind im Herzen und du an meiner Seite” – eine Liebeserklärung an meinen Mann. Die Vorstellungen der Musik ist bei den Menschen verschieden, viele lieben Rock, Klassik, auch Schlager. Bei Büchern gibt es so viele Angebote, dass es schon fast inflationär ist. Meine „Bibel” – „Noch einmal sprechen von der Wärme des Lebens”. Jeder schreibt sein eigenes Buch, auch das Filmangebot wird breiter und bedient jede Niesche. Mein Lieblingsfilm ist „The Broken Circle”. Musik, z. B. „Stairway to Heaven” und „Am Ende aller Dinge, werd ich lachen”.
 
sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Respekt und Miteinander, Verantwortung für unseren Planeten, das wäre schon ein Anfang.
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sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Offene Meinungsäußerung, ohne Vorurteile, Verständnis und Demut.
 
sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Du bist es wert, so sehr geliebt zu werden – Du bist es wert, dass soviel Traurigkeit um dich bleibt”
 
sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:
 
1. Eines Tages werde ich sterben …
der Tod macht mich nicht bang, mein Leben war ein Lernprozess, für den ich dankbar bin.
 
2. Unsterblichkeit wäre …
Spuren zu hinterlassen.
 
3. Das Leben ist …
wieder lebenswert und ich bin dankbar für die vielen schönen Momente

 

Ganz lieben Dank für das Interview