INTERVIEW MIT MAMA ULITA

Ich lebe nach dem Motto: Stay true to yourself.

Interview mit Mama Ulita – Bühnenkünstlerin & Female Empowerment Aktivistin durch Burlesque & Hoopdance.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Ich freue mich sehr, dass ihr mich für dieses Interview eingeladen habt. Danke!
Ich lebe nach dem Motto: Stay true to yourself. Denn man trifft sich immer zweimal und was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu. In meinem jetzigen Lebensabschnitt habe ich mir verschiedene Arbeitsfelder gesucht, die mich sehr glücklich machen. Ich bin Netzwerkkoordinatorin, Bühnenkünstlerin und mit Liebe und Leidenschaft unterrichte ich Frauen in meinen Fempowerment-Kursen. Ich baue gerade meine Arbeit von HoopcityLeipzig und Mama Ulita Entertainment weiter zu Mama Ulitas Home of Fempowerment aus.

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Als ich gefragt wurde, ob ich bei diesem Projekt mitwirken will, hat sich in mir erstmal Skepsis geregt und ich habe ein ganz ungutes Gefühl zum Thema Tod und Sterblichkeit in mir gespürt. Aber genau das ist es, was mich jetzt so leidenschaftlich macht. Ja, das ist ein Thema, das mehr in die Öffentlichkeit muss, und ich freue mich sehr, dass ich konzeptionell und aktiv Teil der Veranstaltung am 17.09. im Krystallpalast sein darf.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Ich habe durch Krankheit vor einigen Jahren den eigenen Tod vor Augen gehabt. Das hat mich aufgerüttelt und mich kompromisslos dahin geführt, mein Calling als Bühnenkünstlerin zu leben und meine Talente, mit denen ich andere bereichere, zu erkennen. Daraus hat sich mein ganz individueller Berufsweg ergeben und vor allem der Mut, diesen bereitwillig voll und ganz zu umarmen. Die Erfahrungen in diesem Prozess haben mich ermächtigt, radikal auf den Ruf meiner Seele zu hören, Lebensfreude und Leichtigkeit in mein Leben und das von anderen, vor allem Frauen zu bringen. Aktuell stelle ich in meinem Umfeld fest, dass alte Menschen, die ihre Seele nie befreit haben, sehr große Angst vorm Sterben haben. Ich werde mein Leben so leben, dass ich, wenn ich sterbe, leicht, frei und glücklich in die Quelle eintauchen werde, aus der ich gekommen bin.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Sich bewusst sein, dass jeder Moment der letzte sein kann. Und aus dieser Erkenntnis heraus versuchen, jeden Moment des Lebens wach und achtsam zu genießen. Für mich heißt das, meine Aufmerksamkeit, so oft es mir bewusst wird, auf das Schöne, das mich umgibt, zu lenken. Ich versuche, so oft wie möglich Dankbarkeit und Liebe zu spüren für das, was mir im Alltag begegnet.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Weil das eine Ur-Angst von uns Menschen ist, die, wenn wir sie überwinden, zu absoluter innerer Freiheit führt. Die Angst vor dem Tod oder dem Ende der eigenen Existenz erstickt in vielen Herzen die wahre und tiefsinnige Freude am eigenen Leben. Ich glaube zutiefst daran, dass der Sinn des Lebens es ist, sich bewusst zu werden, dass die eigene körperliche Endlichkeit zum Leben dazugehört und dass es die Pflicht eines jeden bewussten Menschen ist, das Leben mit Freude zu füllen. Mit dieser Einstellung und Übung im Alltag wird unser Umgang miteinander mehr aus Fülle und Freude gespeist, denn aus Mangel und Angst. Ich will eintauchen in den Fluss des Lebens, das wir gemeinsam genießen können. Denn das Leben ist schnell vorbei. Das habe ich gehört, von einem mir nahestehenden sehr alten Menschen, der mit Reue zurückblickt, weil sie erkannt hat, wie viel wertvolle Lebenszeit sie vergeudet hat, durch Ängste und den Fokus auf Äußerlichkeiten.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten? Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Das Thema Tod ist bei uns ein Tabu, das spüre ich auch in mir selbst. Und ich finde das aufzubrechen, so wie ihr es macht, ist ein toller Ansatz, der viele Menschen mitnimmt. Eure Kulturtage sind ein Beispiel, was aktiv getan werden kann, der Angst vor dem Tod und allem was dazugehört zu begegnen. Durch die Vielseitigkeit, sich dem Thema offen und ohne Vorbehalte zu nähern und darüber aufzuklären und zu informieren, kann sich fast jeder in irgendeinem Programmpunkt wieder finden. Eine andere Idee wäre auch in den Austausch mit anderen Kulturen zu gehen, die mit dem Thema offen und freudvoll umgehen, wie zum Beispiel in der mexikanischen Tradition, wo der Tod einen eigenen Festtag hat, der im wahrsten Sinne des Wortes gefeiert wird.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können? Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Für mich sind das alle Aktivitäten, die unsere Ängste, Schmerzen, Trauer da sein lassen und verwandeln können in Leichtigkeit und Losgelöstheit. Ich finde, es sollte im Berufsalltag, genauso wie es eine Elternzeit gibt, auch eine Trauerzeit geben. Und ich bin natürlich der absoluten Überzeugung, dass Trauernde ermutigt werden sollen, diese Gefühle offen zu zeigen, ohne abgestempelt zu werden. Es ist ja mittlerweile in aller Munde, dass es gesünder ist, belastende Emotionen aufzulösen als sie zu unterdrücken. Ich bin z. B. sehr beeindruckt von der Kraft von Tanzmeditationen und fände es toll, wenn bei uns in Deutschland und auch Leipzig das Schaffen von Künstlerinnen wie Anna Halprin oder Gabrielle Roth mehr Aufmerksamkeit bekommen würden. Und es wäre eine Möglichkeit, in den Schulen und Universitäten die Forschungsergebnisse von Dr. Joe Dispenza einfließen zu lassen, der sich mit wissenschaftlichen Methoden und praktischen Anleitungen der Selbstheilung von Traumata beschäftigt. Ihnen allen geht es darum, normale Menschen zu ermutigen, dem Leben wieder Freude einzuhauchen. Egal, wie schlimm die Erfahrungen von Tod, Verlust und Angst waren.
Ich finde es wichtig, dass uns die Angst genommen wird von Gefühlen wie „die Angst über den Tod, das Leiden und die Endlichkeit zu sprechen“. Mir wurde durch dieses Interview schon viel von dieser Angst genommen.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

„Zeit des Erwachsens“ mit Robert de Niro.

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Unser Erbe ist der Gedanke, dass es auf der Welt nicht genug für alle gibt. Unsere Zukunft ist zu erkennen, dass das eine Lüge ist und wir in einem Feld von unbegrenzten Möglichkeiten leben. Für ein besseres menschliches Miteinander wünsche ich mir, dass ich und alle, die sich das auch wünschen, einfach anfangen das bessere Miteinander zu gestalten, indem wir von der Angst vor Mangel in das Vertrauen und zur Fülle gehen. Ich übe das jeden Tag. Es fällt mir oft schwer, aber jede Überwindung ist magisch und spornt mich an dranzubleiben.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Für mich bedeutet Freiheit, mein Tun ohne Angst und Zwang zu überdenken und neu auszurichten, wenn ich unzufrieden mit mir bin. Der Schutz der Menschenwürde bedeutet für mich, dass ich in meinem Umfeld achtsam bin und die Würde meiner Mitmenschen im direkten Umgang achte und bei Verletzungen konkret einschreite, wenn es mir möglich ist. Es geht um Beziehung auf Augenhöhe und ich hinterfrage mein Verhalten im Alltag auch auf konsumorientierter Ebene immer wieder. Denn obwohl der Schutz der Menschenwürde in unserem Grundgesetzt der erste Artikel ist, wird von Menschen, die in Regierungen, Unternehmen und Institutionen arbeiten, sie führen und leiten, ganz bewusst und ohne Skrupel die Menschenwürde aus Mangel an Empathie, Feigheit und Profitgier missachtet. Und Gleichberechtigung ist für mich ein Diskussionsthema ohne Boden oder eben die Definition von Wikipedia: Gleichberechtigung bezeichnet die Gleichheit verschiedener Rechtssubjekte in einem bestimmten Rechtssystem.

Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Pain, you make me a believer” (Songzitat: Believer, Band: Imagine Dragons)

Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages wird mein Körper sterben und meine befreite Seele wandert weiter.

2. Unsterblichkeit wäre nichts für mich.

3. Das Leben ist so schön.

 

Ganz lieben Dank für die Beantwortung unserer Fragen