INTERVIEW MIT KATTY SALIÉ – UNSERE #SDS19-BOTSCHAFTERIN

Vergleiche führen immer ins Leid. Man sollte tunlichst vermeiden, Vergleiche anzustrengen, wenn es um Trauer geht.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Immer wieder freitags versuche ich IM Fernsehen in aller gewürzten Kürze den Leuten VOR dem Fernseher Kulturthemen näher zu bringen. Eine echte Herzensangelegenheit. Außerdem bin ich zertifizierte Bewusstseinstrainerin und seit kurzem ehrenamtliche Trauerbegleiterin für Kinder, was mir mindestens ebenso am Herzen liegt. Meine Lebensphilosophie lässt sich am ehesten mit den Worten beschreiben, die – wie ich just ergoogelt habe – von einem US-Motivationstrainer stammen, dessen Arbeit ich gar nicht groß kenne – das Zitat hier spricht mich aber enorm an: „Everything you want is on the other side of fear.“

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Zusammen mit Ralph Caspers, der Botschafter bei den Kölner Kindertrauerbegleitern der TrauBe ist, darf ich durch eine Veranstaltung führen, die sich mit Kindertrauer auseinandersetzt. Wir werden auf die Arten des Trauerns schauen, über Trauerbegleitung sprechen und auch gute Bücher vorstellen, die unterstützen können.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Ich war an dem Thema schon immer interessiert. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht weil mich der absolute Kontrollverlust fasziniert, den der Tod den Menschen bringt. Mein Vater war immer mein Held, einer der alles kann, der immer positiv ist, einer, der immer patent schaltet und waltet. Wenn aber jemand verstorben war, habe ich ihn als Häufchen Elend erlebt, wie auf links gedreht, dem Schmerz total ergeben. Diese Metamorphose hat mich staunen lassen. Wir denken ja so oft, dass wir alles im Griff haben und haben sollten. Und doch muss sich jeder Mensch der Tatsache stellen, dass zum Schluss unausweichlich der ultimative Kontrollverlust steht.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Dem Sterben so zu begegnen wie man auch dem Leben begegnet: neugierig, kreativ, individuell, wertschätzend und offen.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Das muss jeder selbst entscheiden und herausfinden. Ich für meinen Teil denke, man schätzt das Leben mehr, ist dankbarer und damit freundlicher zu sich selbst und anderen, wenn man weiß, dass die Zeit auf Erden begrenzt ist.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Mit Veranstaltungen, wie ihr sie anbietet, den Menschen ein weniger schwarz gefärbtes Bild vom Tod vermitteln. Er gehört zum Leben dazu und kann, wenn schon nicht umgangen, dann aber doch gestaltet werden.

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Ich glaube, die Gewissheit, sterblich zu sein, kann entspannen. So vieles, was einen auf die Palme bringt, wird aus dieser Perspektive weniger relevant, und man kann die frei gewordene Energie für Gutes verwenden.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Vergleiche führen immer ins Leid. Man sollte tunlichst vermeiden, Vergleiche anzustrengen, wenn es um Trauer geht. Es gibt da kein richtig und kein falsch. Trauer ist so facettenreich und individuell wie jedes andere Gefühl auch. Sie ist nicht planbar und passt in kein starres Schema. Sie überhaupt zuzulassen, erscheint mir am wichtigsten – Trauer leben, im eigenen Maß.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Ein Blick auf die Kunst zeigt, dass sich Menschen schon immer dem Tod im Leben genähert haben, dass sie ihm die Tür geöffnet und sich ihm gestellt haben. Die Auseinandersetzung mit dem Tod reicht ewig zurück und wird immer sein. Sie ist universell und hilft uns beim Herantasten an das Unvermeidliche.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Besonders beeindruckt haben mich bislang folgende Bücher:

    •    Corey Taylors Erfahrungsbericht „Sterben“
    •    für Kinder ein Muss ist „Der Besuch vom kleinen Tod“
    •    und ich liebe die Romane von Doris Dörrie „Das blaue Kleid“ und von John Green „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Liebe, zu sich selbst, zu den anderen und statt des Gefühls von Mangel mehr Zufriedenheit und Wertschätzung wegen und für das, was wir haben. Etwa mit Blick auf unsere Umwelt – wir sollten die Fülle zelebrieren und sie nicht mutwillig zerstören.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Sie sind der Rahmen, der uns schützt, während wir uns ausleben können. Ihren Wert sollten wir nie aus den Augen verlieren und sie zu schätzen und mit all unserer Kraft zu erhalten wissen.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Man kann nie ganz weg sein, wenn man immer ganz da war.“ Hat Christoph Schlingensief gesagt, der der beste Beweis für diese These ist!

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben – und an allen anderen Tagen nicht. Juchuh. Snoopy hat recht!

2. Unsterblichkeit wäre extrem anstrengend.

3. Das Leben ist zu schön, um ständig Angst zu haben.