INTERVIEW MIT HOLGER MUCH

Vielleicht habe ich auch deshalb ein Fable für die Todesästhetik der schwarzen Szene – um die Dämonen zu bannen.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.
 
Ich bin Journalist, ein klitzekleinwenig Musiker und Illustrator – das Wort „Künstler“ mag ich zumindest im Bezug auf meine Person nicht so gerne.
Bilder zu schaffen, die Geschichten erzählen, Geschichten mit Bildern zu erzählen oder Bilder zu Geschichten zu schaffen, das ist meine Passion, seit ich einen Stift halten konnte. Auch mit Klängen habe ich begonnen, Geschichten zu erzählen und ein wenig jener Magie zu weben, von der es auf dieser Welt in diesen nüchternen, kalten Zeiten viel zu wenig gibt.
 
sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?
 
Ich werde einige meiner Bilder zeigen, zusammen mit dem wunderbaren Worteweber Christian von Aster, der, wie er verspricht, eine sonderbare Geschichte erzählen wird, in der der Tod eine zentrale Rolle spielt und die ich wiederum bebildern werde. Zudem wird die einzigartige Luci van Org auftreten, was allein schon ein Grund ist, vorbeizukommen! Mit ihr zusammen hatte ich übrigens auch die Ehre, mein Lied „Herbstwalzer“ aufzunehmen – ein Lied über den Tod, was auch sonst. Eventuell werde ich ganz am Rande das neue Album meines Musikprojektes KELPY vorstellen, das „Tanz in den Tod“ heißt, sich textlich/musikalisch um eben jenen dreht und bei dem herrliche Künstler*innen aus der dunklen Szene wie Asp Spreng, Johannes Berthold, Per-Anders Kurenbach, Ally Storch, Christian von Aster und viele andere mitwirken.
 
sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?
 
Der Gedanke an den Tod, an die skurrile, im Alltag offenbar von niemandem wirklich in Frage gestellte Situation einer Herde von Lemmingen, die wichtigtuerisch einem ewigen Nichts entgegenrennen, begleitet mich Tag für Tag und, ich gestehe, ängstigt mich auch. Vielleicht habe ich auch deshalb ein Fable für die Todesästhetik der schwarzen Szene – um die Dämonen zu bannen.
 
sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?
 
Das muss ich wohl für mich noch herausfinden. Vielleicht ist es aber einfach die Fähigkeit, trotz eines auf uns alle wartenden schwarzen Loches, in das wir unweigerlich stürzen werden, jeden Tag dennoch – oder gerade deshalb – dankbar und heiter zu genießen, zu lächeln und sich und anderen Gutes zu tun, um die Welt ein wenig heller zu gestalten. Und dankbar dafür zu sein, die Magie des Seins erleben zu dürfen. Was sonst sollten wir tun?
 
sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?
 
Weil die Existenz vermutlich einfacher wird, wenn man, zumindest für sich, die Essenz dieses Circus namens Leben, in den wir alle ungefragt geworfen wurden, durchdacht hat und nur in der Endlichkeit manche Dinge heller strahlen. Vielleicht ist all das aber auch einfach nur opportunistisches Gerede, Pfeiffen im Keller ...
 
sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?
Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

 
Sowohl als Journalist als auch als Kulturschaffender bin ich immer wieder mit diesen Themen konfrontiert. Oft habe ich den Eindruck, dass ein Großteil der Leute sich nicht wirklich intensiv damit auseinandersetzen möchte, was ich gar nicht verurteile. Viele haben genug mit dem Leben zu kämpfen und scheinen wenig bis keine Energie mehr zu haben, sich auch noch mit dem Tod zu beschäftigen – bis er in irgendeiner Form an die Tür klopft. Dann ist man nicht selten total überfordert.
 
sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?
Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

 
Ich möchte mir nicht anmaßen, hier allgemeine Empfehlungen auszusprechen. Ich kann nur von mir ausgehen. Ich finde in Kunst und Literatur Trost, in Musik vor allem. Manchmal denke ich, dass etwas so tief berührendes wie Musik vielleicht doch nur ein Abglanz sein kann von etwas Ewigem, was ein schöner Gedanke wäre. Manchmal kann Trauer, die im künstlerischen Ausdruck mitschwingt, einfach auch signalisieren, dass man nicht allein ist mit seinen Ängsten. Und allein das kann sehr tröstlich sein ...
 
sds19: Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?
 
Ich wünsche mir Evolution. Weg vom Affen.
 
sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?
 
Wenn Du gehst
Kehrst Du nie zurück
Aus Deiner Welt
Unfassbar schön
Wenn Du gehst
Bleibt ein Teil zurück
Und nie erlischt
Dein Stern für mich
 
 – Zeraphine –
 
sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:
 
1. Eines Tages werde ich sterben, und ich hoffe, dass ich mit größtmöglicher Gelassenheit gehen kann. Noch bezweifle ich das ...
 
2. Unsterblichkeit wäre in einer anderen Welt wundervoll, in der unsrigen vielleicht eher nicht.
 
3. Das Leben ist ein absolutes Rätsel und kann Himmel und Hölle gleichzeitig sein.
 
Ganz lieben Dank für die Beantwortung unserer Fragen