INTERVIEW MIT DONIS

Umso älter man wird, umso öfter denkt man über den Tod nach.

„Stadt der Sterblichen“ Sep 2019

Interview mit Donis

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Ich arbeite im weitesten Sinne im Bereich Kultur/Kunst und versuche, darüber meinen Lebensunterhalt zu be-/erstreiten. Eine Melange aus DJ-Tum, Entertainment, Moderation und theatralen Aktivitäten liefert den Aktionsradius. Dazu agiere ich noch als Mitarbeiter in dem Leipziger Club „Ilses Erika” und nutze mein Faible für Horrorfilme für allerlei themenbezügliche Veranstaltungen. Bei all dem ist es mir wichtig, dass ich mich relativ frei fühlen kann, sprich, dass man nicht jeden Kompromiss nur wegen eventuell hoher Bezahlung eingeht. Ebendies könnte bei mir auch als persönliche Lebensphilosophie gelten.

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen" im Sep 2019 in Leipzig mit?

Ich werde moderativ beteiligt sein. Da gab es schließlich schon früher diverse Berührungspunkte, da ich bspw. bei zwei sogenannten „Death Slams” durch den Abend geführt habe. Weiterhin werde ich die „Stadt der Sterblichen” mit todesnahen, aber vor allem auch lebensbejahenden Songs als DJ im „Ilses Erika” zum Tanzen bringen.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Umso älter man wird, umso öfter denkt man über den Tod nach. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass mir der Ausblick darauf keine Angst bereiten würde. Ich gehöre zu den Leuten, welche unter dem Altern zunehmend leiden, ohne mir jetzt gleich ein Peter Pan-Syndrom andichten zu wollen. Der Fakt, dass der Tod das unweigerliche Ende bedeutet, beruhigt mich auf der anderen Seite auch wieder etwas. Das Unabänderliche besänftigt den Geist eben auch. Allerdings gehe ich (noch) nicht so weit darüber nachzudenken, welche Tracks bei meiner Beisetzung laufen sollen. Vielleicht fange ich aber bald mal damit an.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Ich bin durch euch eigentlich erst auf diese Begrifflichkeit und ihre Zusammenhänge gestoßen wurden. Wenn ein Mensch aus dem Leben tritt, ist dies erstmal nur eine traurige, unangenehme Angelegenheit. Diese aber im Sinne des „Verblichenen” zu gestalten, halte ich für sehr wichtig. Ich war schon bei einigen Beisetzungsfeiern zugegen. Und diese gestalteten sich sehr unterschiedlich. Da gab es jene vom Reißbrett, wo die Grabrede wie vom Formblatt mit eingetragenem Namen abgelesen wirkte. Und dann gab es die, welche individuell von den Hinterbliebenen im Sinne des Verstorbenen gestaltet wurden. Dies ist etwas, das ich sehr wichtig finde. So wurde ich auch selbst schon mal als Grabredner für einen guten, verstorbenen Freund ausgewählt. Das war für mich eine sehr tiefgehende Erfahrung.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Am Wichtigsten ist es ja eigentlich immer für die, die dann bleiben. Denn sie müssen mit dieser eingeschlagenen Lücke leben lernen. Deshalb ist es immanent, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Ich werde in diesem Jahr 51 Jahre alt und deswegen bleibt es natürlich nicht aus, dass man sich gedanklich mit allen Facetten des Sterbens und des Todes auseinandersetzt. Das gilt für mein eigenes Ableben, aber eben auch für die sich natürlicherweise in Zukunft häufenden Todesfälle in meinem Umfeld. Umgeben war und ist man von dieser Thematik sowieso immer. Schon in meiner Jugend stürzte ca. 10 Meter vor mir ein Mann aus dem Fenster auf den Fußweg, was mich sehr früh mit der Thematik konfrontierte. Meine Mutter fand ich nach einem Krebsleiden tot in ihrem Bett. Somit reicht dieser Konfrontationsprozess ein Leben lang.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?
Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Es ist sehr wichtig, auch öffentlich diese Themen zu verhandeln, Hilfen zu geben und Aufklärungsarbeit zu leisten. Ihr macht das auf eine sehr intelligente und doch nachvollziehbare Art und Weise. Man muss aber auch die sicherlich sehr große Anzahl von Menschen verstehen, welche nicht mit diesem Thema konfrontiert werden wollen. Solcherart Schutzmechanismen sind nun mal typisch menschlich. Momentan gilt es auch viel mehr, Bestebungen zu bekämpfen, welche an eine hiesige Historie ankoppeln wollen, in welcher der Tod industriell umgesetzt wurde.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Da hat, glaube ich, jeder Mensch seine ureigene Wirkweise. Allerdings finde ich es, wie weiter oben schon beschrieben, wichtig, dass man den Verstorbenen individuell und in seinem (Denk-/Geschmacks-)Sinne zur letzten Ruhe entlässt.

Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Genau so, wie ihr dieses Themenfeld öffentlich präsentiert: wissend, umfassend und vor allem mit einem auch mal unernsten, Pathos-freien Zwinkerauge.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Buch: William F. Nolan „Logan's Run”/Patrick Süskind „Das Parfüm”/Stephen King „Friedhof der Kuscheltiere”
Film: „The Living And The Dead” (Großbritannien/2006, Regie: Simon Rumley)/„Malastrana” (Italien/Jugoslawien/1972, Regie: Aldo Lado)/„Tanz der toten Seelen” (USA/1962, Regie: Harold Harvey)
Musik: Bauhaus „Bela Lugosi's Dead”/Rah Band „Clouds Across The Moon”/Alexandra „Mein Freund der Baum”

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Wir leben momentan in sehr beängstigenden Zeiten, besonders in Sachen des Umgangs miteinander. Ich hätte tatsächlich niemals vermutet, dass gerade Fremdenfeindlichkeit noch einmal eine solch übergeordnete Rolle innerhalb einer eigentlich aufgeklärten Gesellschaft spielen könnte. Dies ist eben auch bei Leibe kein deutsches oder europäisches Problem. Es ist ein globales. Wenn wir diesen Missstand nicht in den Griff bekommen, sieht unsere Zukunft schwärzer aus, als man den Tod jemals zeichnen könnte.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Ohne Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung sollte ein Leben mit all den Erfahrungen, welche die Menschheit zu allen Zeiten gemacht hat, gar nicht mehr möglich sein und ich würde ein solches „Leben” auch gar nicht leben wollen. Und da will ich jetzt gar keine halbseidenen DDR-Erfahrungen meinerseits einfädeln.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Birth, School, Work, Death” (The Godfathers)

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

Eines Tages werde ich sterben, … aber vorher soll Bayer Leverkusen wenigstens einmal Deutscher Meister werden.

Unsterblichkeit wäre … ziemlich anstrengend, weil man ja als Highlander immer Angst haben muss, dass jemand kommt, der einen köpft.

Das Leben ist so schön, … wie man es sich macht.

 

Ganz lieben Dank für das Interview