INTERVIEW MIT CHRISTIAN VON ASTER

„Wer es wagt, bei meiner Beerdigung zu weinen, mit dem rede ich kein Wort mehr!“

Stan Laurel (1890 – 1965)

Interview mit Christian von Aster

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Meine Zeit auf dieser Welt verbringe ich gegenwärtig vor allem als freier Autor, Geschichtenerzähler, Satiriker, Konzeptkünstler und Badewannentourist. Meine diesbezügliche Philosophie ist ein Konstrukt aus Erfahrungen, Hoffnungen, Wünschen und Notwendigkeiten, das in steter Bewegung und schwer in einen Satz zu fassen ist. Aber zentral hat es wohl mit den richtigen Menschen, der besten Version meiner Selbst und damit zu tun, am Ende lächeln zu können.

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Ich werde, wenn die Stadt der Sterblichen stattfindet, längere Zeit durch Deutschland gereist sein, um mich mit Menschen zu unterhalten, die täglich mit dem Tod umgehen. Das Ziel dabei ist, den Tod auf eine andere Weise kennenzulernen. Verschiedene Blickwinkel auf ihn zu eröffnen. Zwischen Alltag, Poesie und Erkenntnis. Aus den so entstandenen Interviews, den niedergeschriebenen Anekdoten und Gedanken, werde ich zusammen mit Udo Portner eine Auswahl auf der Bühne präsentieren.
Außerdem wird es auch noch eine Lesung geben, in dem ich und der Ausnahmekünstler Holger Much mit Hilfe eines Wandbildes und der entsprechenden Verse eine sonderbare Geschichte erzählen, in der der Tod eine zentrale Rolle spielt.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Aus der Peripherie der Gothic-Szene stammend, hat mich die Ästhetik des Morbiden und das Motiv des Todes vor allem in der Romantik ebenso wie das Spannungsfeld zwischen Eros und Thanatos immer schon stark interessiert. In meinem Romanen und Kurzgeschichten spielt der Tod in seiner Eigenschaft als Allbegrenzer, Sinngeber und stetige Bedrohung immer wieder eine entsprechende Rolle. Ihn auszutricksen, anzunehmen, mit ihm gesellig beisammenzusitzen oder ihm seine Geheimnisse ablauschen zu wollen, ist immer wieder Teil meiner Geschichten. Gedanken, die mir nicht zuletzt auch bei meiner Tätigkeit als Trauerredner von nutzen sind.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Vor allem den bewussten Umgang mit Tod und Sterben. Eine stete Präsenz der Gewissheit der Endlichkeit des Lebens und der Dinge. Ein Einbinden derselben in den Alltag und das Leben. Und dementsprechend eine Enttabuisierung des Todes und einen bewussten Umgang mit ihm. Sowohl für den einzelnen als auch die Gesellschaft. Was aber in dieser Form, wie der Begriff ‚Kultur‘ schon andeutet, von der Gesellschaft entsprechend getragen werden müsste.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Zunächst einmal weil der Tod grundsätzlich Teil des Lebens, auf die ein oder andere Weise immer präsent und für ausnahmslos jeden relevant ist.
Weil das Besinnen auf die Endlichkeit dabei hilft, sich den Wert der Gegenwart bewusst zu machen.
Und zuletzt, weil sich in der Auseinandersetzung mit diesen Themen Antworten finden lassen, die man anderweitig nicht finden wird.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?
Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Das Verankern besagter Themen in der Alltagskultur sowie ein grundsätzlicher und natürlicher Umgang mit ihnen wäre meines Erachtens das wichtigste Moment. Dem Tod etwas mehr von der Rolle, die er in Kunst und Kultur spielt, im Alltag zuzugestehen.
Die Wichtigkeit dessen liegt meines Erachtens vor allem in dem Wert dieser Themen für die Persönlichkeit des einzelnen. Eine entsprechende Beschäftigung schafft Bewusstsein. Hinsichtlich von Werten, Wertigkeiten und mehr. Bewusstsein macht mündig.
Und Mündigkeit eröffnet die Chance zu Selbstbestimmheit.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?
Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Auf Augenhöhe miteinander umgehen, empathisch, offen und bereit für Auseinandersetzung sein. Diese Dinge nicht mit sich allein ausmachen wollen. Und gegebenenfalls mit Menschen sprechen, die entsprechende Erfahrungen mit dem Thema haben.
Dem Thema Tod eine derartige Selbstverständlichkeit geben, dass niemand sich mehr scheuen muss, es anzusprechen.
Kunst und Kultur leisten meines Erachtens ihren Beitrag, seit es sie gibt. Die Bildung hingegen sollte, in dem sie mehr den mündigen Menschen als eine Arbeitskraft zu schaffen versucht, vermutlich einiges tun.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Filme:
'Hinter dem Horizont‘ (1998)
'Big Fish' (2003)
‚Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ (2013)

Songs:
‚And when I die‘ - Blood, Sweat and Tears (1968)
‚Zuhause ist der Tod‘ - Georg Kreisler (1979)
‚In Time‘ - Mark Collie (2004)

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Um diese Frage für mich zufriedenstellend zu beantworten, müsste ich vermutlich einen Roman schreiben. Meines Erachtens könnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die Frage, wer überhaupt wir sind, wirklich beantworten. Unser Erbe aber ist dabei vermutlich nicht das, was es sein könnte, und unsere Zukunft wahrscheinlich nicht die, die wir uns wünschen.
Für ein besseres menschliches Miteinander wäre derweil meiner Meinung nach das Ende des herrschenden Geldsystems, das mündige Individuum, Besinnung auf ethische Werte, Achtsamkeit und Wahrhaftigkeit erstrebenswert.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Freiheit ist in meinen Augen in Denken und Handeln und in Kombination mit einem moralischen Grundgerüst die Basis jeder Persönlichkeitsentwicklung und dementsprechend ein hohes Ideal, für das immer wieder und zurecht hohe Preise gezahlt wurden.
Schutz der Menschenwürde ist eine unbedingte aber leider nicht selten vernachlässigte Pflicht der Stärkeren in Geist, Macht und Kapital und Ausdruck des Respektes gegenüber der menschlichen Existenz.
Gleichberechtigung ist ein sehr komplexes Thema. Zumal es dabei nicht nur um Mann und Frau, sondern gleichsam Tier und Mensch, Kunst und Handwerk, Ost und West und weit mehr geht. Vor allem aber ist Gleichberechtigung etwas, das weniger durch Quoten und Gesetze sondern vielmehr durch Bewusstsein, Empfinden und Erkenntnis erreicht werden sollte. Womit wir wieder bei Bildung und gesundem Menschenverstand werden. Was das Ganze bedauerlicherweise wieder utopisch macht.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Wer es wagt, bei meiner Beerdigung zu weinen, mit dem rede ich kein Wort mehr!“
Stan Laurel (1890 – 1965)

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben,
insofern es keine angenehmeren Alternativen gibt.

2. Unsterblichkeit wäre ...
keine angenehmere Alternative.

3. Das Leben ist ...
diesbezüglich die angenehmste Alternative.