INTERVIEW MIT PEGGY BURIAN

Angst und Schmerz kann mir keiner abnehmen. Das sind Sachen, denen muss ich mich stellen, wenn ich sie wandeln und daran wachsen will.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Als Märchenerzählerin bin ich original analog unterwegs: Ich stell mich hin und erzähle Geschichten. Die Bilder dazu entstehen in den Köpfen der Zuhörenden. Das ist toll: Alle hören gemeinsam ein Märchen und jeder hört die Geschichte anders.
Märchen erzählen klingt ein bisschen altmodisch, aber es ist so zauberhaft wie der Sternenhimmel: uralt und immer wieder neu.

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen" im Sept. 2019 in Leipzig mit?

Märchen behandeln seit Menschengedenken alle große Themen des Menschseins. Sie bieten Lösungen und Vorschläge für die allergrößten Herausforderungen an. Ich werde darüber berichten, was uns Märchen zum Thema Tod und Sterben zu sagen haben und sicherlich auch das eine oder andere Märchen erzählen.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Als Trauerrednerin habe ich beruflich mit dem Tod zu tun bzw. mit dem, was danach bleibt. Für mich ist es sehr kostbar, den Hinterbliebenen in dieser besonderen Situation zu begegnen, sie ein kleines Stück zu begleiten und den Abschied von einem geliebten Menschen gemeinsam mit ihnen zu gestalten.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Ein Kult ums Ende?! Ist eigentlich eine feine Sache. Es geht ja ständig was zu Ende; die Kindheit, die Jugend, die Schule oder eine andere Ausbildung, eine Beziehung, ein Kapitel im Leben, man verliert das Lieblingskuscheltier, irgend etwas geht zu Bruch. Das Leben ist voll von Abschieden, kleinen und großen. Das ist wie ein Training.
Abschiede/das Ende bewusst zu gestalten, gibt uns auch ein Stück Sicherheit, dass bei allem Chaos, dass durch einen Verlust entsteht, alles seine Ordnung hat und danach etwas Neues entstehen kann.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Weils jeden betrifft.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Darüber reden, ins Gespräch kommen. Und dafür die Gelegenheit schaffen eben durch so tolle Veranstaltungsreihen wie die Eure ;)

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Man kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen … Sich immer mal vor Augen zu führen, dass das Leben endlich ist, relativiert einiges. Außerdem lässt es eine tiefe Dankbarkeit entstehen für das, was ist und was uns oft so selbstverständlich erscheint.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Trauer, Verlust und Leid überfordern m. E. ein Individuum. Habe ich Menschen an meiner Seite oder in meiner Nähe, wird alles erträglicher. Da reicht manchmal so was einfaches wie vorbei kommen, Tee kochen und Klappe halten.
Angst und Schmerz kann mir keiner abnehmen. Das sind Sachen, denen muss ich mich stellen, wenn ich sie wandeln und daran wachsen will.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Ganz sicher sind die Bereiche Kunst, Kultur und Bildung gute Türöffner, um sich gesellschaftlichen Tabuthemen, wie zum Beispiel dem Sterben und dem Tod zu nähern. Letztendlich bestimmen ja auch gerade diese Bereiche, was Tabu ist und was nicht.
Sie ermöglichen es uns, auf einer allgemeinen Ebene einzusteigen und die Themen dann an uns heranzulassen. Durch die  eigene Auseinandersetzung kann ein Austausch mit anderen entstehen. Dann festzustellen, dass es anderen Menschen vielleicht ähnlich geht, verbindet den einzeln mit der Welt und schafft einen Raum, in dem auch vermeintlich schwere Themen angegangen werden können.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Die beiden Filme: „Nookan“ und „Coco“.

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Unser Erbe, unsere Zukunft – puh, was für eine Frage. Da müssen wir uns mal gesondert drüber unterhalten...
Was das menschliche Miteinander angeht, wünsche ich mir gegenseitiges Wohlwollen.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Eine Selbstverständlichkeit und Grundlage des Menschseins. Und ein langer Weg, der vor uns liegt…

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Weiß man denn, ob  der Tod nicht der schönste Augenblick des Lebens ist?“ Rolf Hoppe

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben, aber alle anderen Tage werde ich leben. (frei nach Charlie Brown und Snoopy)

2. Unsterblichkeit wäre ein Alptraum.

3. Das Leben ist ein Geschenk.