INTERVIEW MIT MELANIE MARSCHKE

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Ich setze mich gerne ein für einen offeneren Umgang mit dem Thema und freue mich auf einen interessanten Austausch und Gespräche, z. B. bei der Podiumsdiskussion am 24.09.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Der Tod spielt in meinem Berufsleben als TV-Kommissarin bei der SOKO Leipzig natürlich eine zentrale Rolle. Da ist es immer der unnatürliche, gewaltsame, oft grausame Tod. Ich überbringe die traurige Nachricht, ich tröste Hinterbliebene und meistens löst unser Team den Fall, der Mörder wird verhaftet und es gibt am Ende zumindest eine Art ausgleichende Gerechtigkeit. Aber das ist nur Fiktion, ein Spiel, in dem ich immer das Richtige tun und sagen kann. Das ist im wahren Leben nicht immer so leicht. In diesem, meinem realen Leben denke ich eigentlich gar nicht soviel an den Tod oder das Sterben. Dieses Jahr ist es allerdings anders, weil der Tod in meinem Umfeld schon sehr präsent war und ich jetzt das Alter erreicht habe, in dem meine Mutter erkrankte und starb. Der Gedanke, jetzt schon gehen zu müssen, kommt mir z. B. völlig absurd vor. Also gab und gibt es zur Zeit in meinem Freundeskreis schon vermehrt Gespräche zum Thema Tod und Trauer, aber auch darüber, wie wichtig es ist, das Leben zu feiern.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Ich habe diesen Begriff – ehrlich gesagt – noch nie gehört und er kommt mir seltsam sperrig und ein bisschen „ausgedacht“ vor. Ein Versuch, etwas völlig Emotionales, sehr Individuelles in einer Art akademischem Oberbegriff zusammenzufassen.Trotzdem assoziiere ich damit etwas sehr Positives, nämlich eine offene Umgangsweise mit dem Sterben, dem Tod und allen Themen, die damit zusammenhängen, z. B.: Trauerbegleitung, Sterbehilfe, Beerdigungsformen ...

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod.auseinandersetzt?

Ich finde es vor allem wichtig, sich des Geschenks des Lebens bewusst zu sein und sein Leben mit Liebe, Freude, Offenheit und Intensität zu leben, wirklich im Moment zu sein, sich auf die Dinge und Menschen zu konzentrieren, die einem wichtig sind und das Leben schön und wertvoll machen. Und zwar im realen, „echten“ Leben und nicht im virtuellen! 380 Beileid-Posts auf Instagram nützen einem nichts, man braucht Menschen, mit denen man reden und weinen kann, die da sind und einen im Zustand des „Außersich-Seins“ ertragen und stützen können.

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Ich glaube, das Bewusstwerden der eigenen Endlichkeit schärft den Blickwinkel für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens und kann helfen, Prioritäten besser zu setzen und weniger Kraft für Dinge und Menschen zu verschwenden, die einem nicht guttun.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Ich glaube, die wichtigste Botschaft ist: Du bist nicht allein! Vielleicht wäre es sinnvoll, so etwas wie ein „Branchenverzeichnis“ zu haben, in dem alle Anlaufstellen zum Thema (Selbthilfegruppen, Gesprächskreise, Notfallnummern, Fachberatungen etc.) aufgeführt sind.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Sie können auf jeden Fall Denkanstöße geben, verschiedene Perspektiven aufzeigen, Emotionen wecken, in denen man sich wiedererkannt und verstanden fühlt.

Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

„Es wird mir fehlen, das Leben“ von Ruth Picardie
„Paula“ von Isabelle Allende
„Und was kommt dann? Ein Kinderbuch vom Tod“ von Pernille Stalfeldt

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Wir brauchen weniger Hass und einen toleranteren, liebevolleren Blick auf andere. Ohne Liebe und Empathie sind wir wohl verloren.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Für mich die Grundpfeiler einer gesunden Gesellschaft, ohne die ich mir ein Leben nicht vorstellen kann!

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben … ich hoffe, dass dann jemand bei mir ist, der mich liebt.

2. Unsterblichkeit wäre … auf jeden Fall ein Fluch

3. Das Leben ist … fragil.