INTERVIEW MIT GABRIELE HAAS

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Ich bin selbstständige Bestatterin. Vor 28 Jahren trat ich als Quereinsteigerin in das Bestattungsunternehmen meiner inzwischen verstorbenen Mutter ein. Meine berufliche Laufbahn hatte ich mir allerdings ganz anders vorgestellt. Ich wollte Schneiderin werden und später dann Modedesign studieren, so jedenfalls war der Pla …
Inzwischen bin ich fachgeprüfte Bestatterin, ausgebildete Trauertherapeutin und Begleiterin und fest davon überzeugt, dass mein Beruf auch meine Lebensaufgabe ist. Ich liebe meine Arbeit, kann hier auf gewisse Art auch meine Kreativität ausleben und verstehe sie als meinen Beitrag zu dieser Welt voller Vertrauen, Liebe, Achtung und Menschlichkeit.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Neben meiner täglichen Arbeit, auch ehrenamtlich. Darüber hinaus auch im Privaten. Zurückblickend eigentlich recht früh. Schon als Kind wollte ich z. B. wissen, wie geht denn das mit dem Sterben oder was bedeutet es tot zu sein, was passiert da eigentlich mit einem? Vielleicht ist das so, wenn du damit aufwächst, wenn die Mutter als Bestatterin tätig war oder die geliebete Ziehmutter, meine Oma Frieda zu DDR-Zeiten im damaligen VEB-Bauelemente, Särge lackiert und ausgeschlagen hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als kleines Mädchen daneben stand und sie mit Fragen gelöchert habe.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Für mich persönlich die Auseinandersetzung mit dem Leben. Zwangsläufig beschäftigst du dich dann auch mit der eigenen Endlichkeit und erkennst  – trotz aller Widrigkeiten und Stolpersteine –, wie kostbar und schön das Leben ist. Grund genug jeden Augenblick zu genießen.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Weil es wichtig ist und jeden von uns betrifft! Sowohl beruflich als auch privat versuche ich seit über zwei Jahrzehnten diese Themen im Rahmen meiner Möglichkeiten zu transportieren. Ich rede darüber, informiere usw.
Aber, ich würde mir niemals anmaßen, jemanden meine Ansichten überzustülpen.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Es gibt inzwischen ja zahlreiche Angebote. Die Funus-Stiftung leistet entsprechend und auch mit diesem aktuellen Projekt, wieder eine großartige Arbeit.

Und wie schon erwähnt, versuche ich dies im Rahmen meiner Möglichkeiten zu transportieren. Wir geben neben Lesungen, musikalischen Abenden oder Besuchen von Schülergruppen auch unseren Schaufenstern diesen Themen Raum. Eine „klassische“ Bestatterdekoration wird man bei uns leider nicht finden (liebe Bestatterkollegen*innen: das ist ehrlich nicht wertend gemeint). Die Cartoon-Ausstellung mit den Werken von Uli Stein vor ein paar Jahren, war dahingend sehr erfolgreich.  Provokativ für den einen oder anderen Betrachter – aber, die Menschen kamen ins Gespräch und wurden zum Nachdenken angeregt.

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Nun, es steht ja jedem frei, sich damit auseinanderzusetzten und jeder muss für sich entscheiden. Doch der Tod ist nun einmal unausweichlich. Ich persönlich denke, dass es sich mit einer guten „Vorbereitung“ wesentlich entspannter, ja leichter lebt.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Oh, da tue ich mich schwer, denn so indivuell jeder Mensch ist, so individuell sind hier auch seine Bedürfnisse. Allgemein fände ich es wichtig darüber zu reden, sich zu öffnen, seine Trauer, Ängste und Gefühle zuzulassen, Hilfsangebote anzunehmen, insofern man dies kann oder will.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Ich bin da ganz bei Jennifer Sonntag. Sie hat die Frage dieser Interviewserie schon sehr treffend beantwortet.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Ganz aktuell fällt mir da die britische Serie „After life“ ein. Hier geht es um einen Mann, der den Tod seiner Frau zu verarbeiten hat. Das versucht er, indem er eine ganz bitterböse Ehrlichkeit seinen Mitmenschen gegenüber entwickelt.
Mich hat die Serie – trotz allem Zynismus und aller Schwarzhumorigkeit – ehrlich berührt und ganz oft zu Tränen gerührt.  

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft?

Wir müssen uns ganz dringend um unseren Planeten kümmern!

sds19: Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Toleranz und Akzeptanz!

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Die Grundsäulen unseres Lebens.

sds19: Welche sind deine Lieblingszitate zum Thema  Leben, Schmerz und Tod?

„Der Tod ist demokratisch. Am Ende werden sie alle zu Skeletten, ganz gleich, ob sie blond oder brünett, arm oder reich waren.“
José Guadalupe Posada (1852-1913)

„Jeder Augenblick im Leben ist ein Schritt zum Tode hin.“
Pierre Corneille (1606-1684)

„Wenn die Menschen wüssten, was der Tod ist, dann hätten sie keine Angst mehr vor ihm.“
Michael Ende – Momo (1929-1995)

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben, das ist unabwendbar und gut so.

2. Unsterblichkeit wäre für mich ganz furchtbar.

3. Das Leben ist (da wiederhole ich mich gern) mit all seinen Widrigkeiten und Stolpersteinen kostbar und schön.