INTERVIEW MIT VIOLETTA POISON – THE KISS OF LIFE AND DEATH

Wir können nicht leben, ohne zu sterben und nicht sterben, ohne zu leben.

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Meine Lebensphilosophie sind vier Punkte:
1. Begegne Menschen mit Respekt und Würde
2. Wir sind alle gleich, auch wenn es manche noch nicht ganz kapiert haben
3. Vergleiche dich nie mit anderen, denn du bist einzigartig
4. Wenn ich heute sterbe, ist es okay, denn mein Leben ist schön
Als Burlesqueperformerin und Kultur- und Eventmangerin habe ich die Möglichkeit eigene Projekte und Ideen zu entwickeln und mit der Welt zu teilen.

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Ich habe für euch ein paar Tänze vorbereitet, die meine mexikanische Herkunft und unsere besondere Verbindung zum Tod widerspiegeln. Außerdem gestalte ich gemeinsam mit Mama Ulita das Konzept für die Veranstaltung am 17.09. im Krystallpalast Varieté.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Der Tod ist für mich ein Teil des Lebens. Das kann man gut an unserer Wohnung erkennen, denn diese ist voller mexikanischer Calaveras (Skelette), die für mich nichts Okkultes darstellen, sondern ein Ausdruck der Freude sind. Außerdem veranstalte ich seit acht Jahren gemeinsam mit meinem Partner die Dia de los Muertos Roadshow. Ein Event, dass den Tod feiert und Menschen näher bringt.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Das Bewusstsein zu haben, dass wir nur für einen bestimmten Zeitraum auf dieser Welt sind und versuchen sollten, bewusste Entscheidungen für unser Leben zu treffen. Es ist wichtig herauszufinden, was wir im Leben wollen und was wirklich für uns zählt.

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Es ist wichtig, weil alles Teil eines Ganzen ist. Wir können nicht leben, ohne zu sterben und nicht sterben, ohne zu leben.  

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

In der mexikanischen Kultur ist ein Weg der Dia de los Muertos (Tag der Toten). Kern dieses Feiertages ist es, an die Verstorbenen zu erinnern und sie nach Hause einzuladen. Hierzu bauen die Familien Altäre (Gabentische) auf und schmücken die Hauseingänge mit Tagetes (Studentenblumen), damit die Verstorbenen den Weg wieder nach Hause finden. Ein schöner Brauch um die Verstorbenen wieder ins Leben zu holen, ohne den Tod zu verdrängen.

sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen?

Weil es ein Bestandteil unseres Lebens und es oft ein Tabuthema ist. Aussagen wie: „Falls ich eines Tages nicht mehr da bin“ sind ein gutes Beispiel dafür. Wir werden alle sterben, aber mit solchen Aussagen ist es so, als ob wir uns eine Option offenhalten könnten.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Ja, setz dich mit anderen Trauerkulturen auseinander und entdecke, wie andere Länder/Kulturen damit umgehen. Und sprich über deine Gefühle, so es dir möglich ist.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Indem sie alle möglichen Farben und Facetten des Themas aufzeigen können und somit neue Horizonte für den eigenen Umgang eröffnen.

sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Ich muss zugeben, dass ich ein sehr großer Fan von dem Film „Coco“ bin. Dieser vermittelt die mexikanische Trauerkultur und dessen Bräuche sehr schön. Als Buch wären auf jeden Fall „Bittersüße Schokolade“ von Laura Esquivel und das Kinderbuch „Der Besuch vom kleinen Tod“ von Kitty Crowther zu empfehlen.

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Dass wir uns mit Respekt, Toleranz und Würde begegnen.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Alles. Es sind die Stützfeiler, die uns eine Gesellschaft in Toleranz, Akzeptanz und ein Leben in Frieden ermöglichen können.

sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Wozu brauche ich Füße, wenn ich Flügel zum Fliegen habe?“ – Frida Kahlo

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben, aber ich werde immer da sein, solange man sich an mich erinnert.

2. Unsterblichkeit wäre sicher interessant, aber unrealistisch.

3. Das Leben ist da, um gelebt und geliebt zu werden.

Lieben Dank für das Interview