INTERVIEW MIT JULIANE UHL

Leben ist Jetzt – Das bedeutet Endlichkeitskultur.

Interview mit Juliane Uhl

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Eine ziemlich große Frage für eine kurze Antwort, aber ich versuche es: Ich arbeite sehr eng mit dem Tod zusammen, im Krematorium und als Redakteurin der DRUNTER&DRÜBER, dem Magazin für Endlichkeitskultur. Das heißt, mein berufliches Leben habe ich tatsächlich dem Tod gewidmet. Privat treibt mich das dann zur Kunst und zu den generellen Fragen des Lebens. Der Tod hat mich gelehrt, dass das Leben ein Imperativ ist, es wartet nicht auf dich, also tu, was du tun musst und willst.


sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

2017 habe ich die erste „Stadt der Sterblichen” in Halle organisiert und in diesem Jahr schaue ich mir das Konzept in Leipzig etwas entspannter von außen an. Ich bin als Teil des Veranstaltungsteams ein wenig an der Konzeption und vor allem der Bewerbung des Events beteiligt. Außerdem werde ich wieder das Symposium der FUNUS Stiftung moderieren.


sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Ziemlich konkret: Ich rede den ganzen Tag über ihn. Für das Krematorium, in dem ich arbeite, kümmere ich mich um Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem unterstütze ich seit einigen Monaten auch das Hospiz in diesem Bereich. Als Dozentin habe ich auch mit Soziologie-Studierenden über den Tod gesprochen und als Autorin reise ich durch Deutschland und lese aus meinem Buch „Drei Liter Tod” vor.


sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Das ist für mich das Bewusstsein um die Endlichkeit, das Annehmen des eigenen Lebens. Wenn mir klar ist, dass es irgendwann vorbei ist, dann lege ich los und warte nicht auf morgen, eine bessere Zeit oder die Rente. Leben ist Jetzt – Das bedeutet Endlichkeitskultur.


sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Um ehrlich zu sein, liegt es mir nicht, anderen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Ich mag diese Themen einfach selbst, weil sie in die Tiefe gehen, weil sie philosophisch sind und das Denken anregen. Und meine Begeisterung darüber teile ich mit den Menschen. Die können dann mitbegeistert sein, oder auch nicht.


sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Diese Themen können immer über die Kunst transportiert werden. Das ist ein gutes Einfallstor. Ebenso Humor, wie die Cartoons von Schwarwel oder Holtschulte zum Thema. Das Wichtigste ist meines Erachtens aber, dass man über diese Themen in einer normalen Sprache spricht, die weniger vorsichtig ist, weniger fachspezifisch. Wir alle sollten Todesexperten sein und das können wir auch, wenn wir die Dinge offen ansprechen.


sds19: Warum ist es wichtig, den Menschen Tod, Sterben und die eigene Endlichkeit näher zu bringen? Ist es das denn? Und wer bestimmt das?

Ich denke, wenn die Menschen sich für diese Themen interessieren wollen, dann tun sie es auch. Es ist mir also nicht wichtig, diese Themen jemandem nahe zu bringen, sondern sie so zu präsentieren, wie sie sind: spannend, emotional, abgefahren, interessant, umfassend.


sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Wir sind alle groß und sollten verstehen, dass Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz nun mal zu Leben dazugehören. Wenn wir das akzeptieren können, dann lebt es sich auch leichter damit. Dann werden wir vielleicht pragmatischer mit diesen Themen und gehen damit um. Ein großes Problem ist nämlich m. E., dass wir die Umstände noch verschlimmern, weil wir uns immer sagen, wie schlimm und schrecklich es ist.


sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

Indem sie den Tod überall integrieren, indem vermittelt wird, dass weder ewiges Wachstum noch ewiges Leben schon erfunden wurden. Und dass es deshalb nötig ist, mit dem Warten aufzuhören.


sds19: Magst du uns Bücher, Filme und/oder Musik zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Es gibt ein tolles Buch mit Texten von Cicero bis Luther, „ars moriendi” heißt es. Dort findet man alle Weisheit, die man im Umgang mit dem Thema benötigt.


sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Unser Erbe ist das, was wir glauben, was war. Unsere Zukunft ist das, was wir glauben zu wollen.
Für ein besseres menschliches Miteinander wünsche ich mir, dass die Menschen selbst denken, miteinander diskutieren und sich auf die Suche nach Wahrheit machen. Und dann wünsche ich mir Respekt voreinander, im Sinne des kategorischen Imperativs von Kant.


sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Freiheit bedeutet für mich, dass ich mein Leben frei gestalten kann und mit den Konsequenzen meines Tuns lebe.


sds19: Welches ist dein Lieblingszitat zum Thema Leben, Schmerz und Tod?

„Das Beste am Tod ist, dass er erst zum Schluss kommt.“


sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben …
und ich hoffe, es ist noch lange Zeit bis dahin.

2. Unsterblichkeit wäre …
manchmal auch ganz geil.

3. Das Leben ist …
ein Imperativ.


Ganz lieben Dank für die Beantwortung unserer Fragen.